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Frauen nach der Wende – über Vorurteile, Arbeitslosigkeit und den trotzdem weiterhin bestehenden Zusammenhalt.

„Wir haben unsere Mission erfüllt“, sagt Ursula Kabelitz stolz, wenn sie auf die Arbeit des Frauenvereins 40+ zurückschaut. Zusammen mit zwei weiteren Frauen, die lange Mitglied des Vereins waren, sitzt sie neben mir, schaut Bilder an und schwelgt in Erinnerungen der vergangenen 33 Jahre. Nach der Wende schlossen sich zunächst eine Handvoll Frauen zusammen – aus dieser Gruppe wurde schließlich ein Verein und aus fünf Frauen nach kurzer Zeit fast 50. Die Mission, von der Ursula spricht, war seit 1990 beständig: Frauen unterstützen, die nach der Wende keine Arbeit mehr fanden.

„Wir waren eine bunte Truppe aus jüngeren und älteren Frauen. Von der Sachbearbeiterin über Lehrerin bis hin zur Kindergärtnerin oder Frauen mit technischen Berufen“, erzählt Ursula Kabelitz. „Der Frauenverein wollte eine Anlaufstelle sein, alle Magdeburgerinnen waren willkommen bei uns.“ Im Fokus sei dabei aber nicht nur die Beschaffung neuer Arbeitsplätze gewesen, sondern auch die Bekämpfung der Einsamkeit, die viele Frauen empfanden. „Für Alleinstehende war die Situation, plötzlich arbeitslos zu sein, oft besonders schwer. Der Verein war dann deren Anlaufpunkt und es gab wöchentlich Termine, auf die sie sich freuen konnten“, erzählt die 78-jährige Anne-Rose Herbig, die ebenfalls lange Zeit Mitglied des Vereins war. „Gemeinsam Zeit verbringen und sich Halt geben, das war immer wichtig. Deswegen hat unser Verein auch so lange bestanden“, erzählt sie, während sie auf ihren Laptop schaut. Dabei klickt sie sich durch die verschiedenen digitalen Fotoalben: Fotos gemeinsamer Reisen, von Ausflügen, Feiern, Besuchen bei Politiker:innen oder Diskussionsrunden sind dabei zu finden.

Vordergründig haben sich die Frauen im Verein gegenseitig bei Bewerbungen, Umschulungen und Finanzfragen unterstützt. „Durch die Arbeitslosigkeit, die uns alle geeint hat, waren wir alle irgendwann mal auf Sparen und Finanzhilfen angewiesen. Es gab so viele Fragen und mit so vielem wurde man alleine gelassen“, erzählt Ursula Kabelitz. Der Verein habe dann Vorträge zu Lohnsteuerhilfe oder Rentenberatung organisiert. Besonders betroffen seien Frauen über 50 Jahren gewesen. Die jüngeren Frauen zwischen 30 und 40 Jahren fanden oft nach einer kurzen Zeit wieder eine Arbeit oder konnten umschulen. Auf der Strecke blieben die älteren Frauen, die zum Zeitpunkt der Wende schon etwas näher an der Rente waren.

Die drei Magdeburgerinnen, die vor mir sitzen, berichten aus ihrer Zeit der Arbeitslosigkeit und von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; temporär Arbeit und Umschulungen. „Ich habe 1992 eine Umschulung zur Betriebswirtin gemacht, nachdem ich eine Zeit lang arbeitslos war“, erzählt Anne-Rose Herbig. „Aber in Vorstellungsgesprächen wurde es mir sehr schwer gemacht.“ Die Rentnerinnen berichten von Stellen, die nur für Männer ausgeschrieben waren und davon, dass sie sehr viel mehr Bedingungen erfüllen mussten als Männer. „Es wurde immer ein PKW und ein Führerschein erwartet. Dazu kam die Grundskepsis, ob Frauen belastbar genug für die Arbeit sind“, berichten sie. „Aus einigen Gesprächen wussten wir, dass Männern nicht so viele Fragen zu ihrer Belastbarkeit gestellt wurden und ihnen weniger Zweifel entgegenkamen.“ Zahlen aus den 1990er Jahren zeigen, dass im Osten Deutschlands teilweise von 100 Stellen nur elf explizit Frauen angeboten wurden. Deshalb sind viele junge und motivierte Frauen nicht geblieben.

Was heute über 30 Jahre her ist, zeigt weiter Folgen. Denn: Wer von der Arbeitslosigkeit in Rente geht, ist häufig von Altersarmut betroffen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass auch hier Frauen häufiger betroffen sind: Diejenigen über 65 sind mit einem Anteil von 20 Prozent stärker armutsgefährdet als gleichaltrige Männer, deren Anteil bei 15 Prozent liegt.

Seit 2020 ist der Frauenverein 40+ kein Verein mehr, da sich keine Nachfolge für den Vorsitz gefunden hat und die meisten Frauen mittlerweile Rentnerinnen sind. Die übrig gebliebenen Frauen sind aber eine Interessengruppe geblieben. „Wir bauen uns weiterhin gegenseitig auf, bekämpfen das Alleinsein, spielen zusammen Karten, gehen wandern oder basteln zusammen Weihnachtskarten, damit wir Geld sparen können“, erzählen die Frauen. „Nur Arbeit suchen wir uns keine mehr. Und wir nehmen nicht mehr als Verein an Diskussionen oder Vorträgen teil – aber die Unterstützung und die Gemeinschaft ist bestehen geblieben.“

Text: Lena Bellon