Mama ≠ Mutter

Sowohl biologische als auch bürokratische Stolpersteine pflastern den Weg lesbischer Frauen auf dem Weg zum eigenen Kind.

Vor drei Jahren ging ein Trend namens Kinderwunsch durch unser Umfeld. Hochgradig infektiös. So waren auch wir betroffen. Darüber, dass wir gemeinsam Kinder haben wollten, waren wir uns seit Beginn unserer Beziehung einig, nur die Wahl des richtigen Zeitpunkts war für uns ein nicht zu knackendes Rätsel. Motiviert durch Versuche unserer Freund:innen beschlossen wir, dass es keinen perfekten Augenblick gibt und machten uns ans Werk. Bei vielen Paaren würde das bedeuten, dass man sich zunächst gemeinsam ins Schlafzimmer begibt und fleißig übt, bis man einen Treffer landet. Zugegeben: Diese Sichtweise ist sehr einseitig und berücksichtigt nicht all die Paare, bei denen es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht ausreicht, solange Liebe zu machen, bis der schnellste Schwimmer das heißbegehrte Ovum erreicht hat. Und auch wir als lesbisches Pärchen mussten mehr dafür tun.

Angefangen mit dem Fakt, dass wir auf die Hilfe einer dritten Person, deren Körper fortpflanzungsfähiges Sperma produziert, angewiesen sind. Unser erster Weg führte uns deshalb in diverse Online-Foren, in denen sich Männer als Samenspender zur Verfügung stellen. Auf den ersten Blick ist das eine tolle Sache. Erfreulich, dass es so viele Menschen gibt, die helfen wollen. Aber wir stießen schnell auf potenzielle Spender, bei denen wir die Uneigennützigkeit in Frage stellen mussten, da für sie zum Beispiel nur eine Spende in Form eines natürlichen Geschlechtsaktes in Betracht kam oder auf solche, die sich als Krone der Schöpfung präsentierten und deshalb nur zu spenden bereit waren, wenn man als Empfängerin einen Universitätsabschluss vorweisen konnte. Nach diversen fragwürdigen Konversationen wurden wir dann glücklicherweise doch im Bekanntenkreis fündig.

Haben cis lesbische Paare erst einmal die biologische Hürde überwunden, steuern sie jedoch auf weitere zu. Wenn eine lesbische Frau zur Empfängnis keinen natürlichen Geschlechtsakt vollziehen möchte, bleibt die künstliche Befruchtung à la DIY mit Becher und nadelloser Spritze oder eben die professionelle und sicherere Variante der Reproduktionsmedizin. Noch vor einiger Zeit gab es deutschlandweit nur wenige Kliniken, in denen lesbischen Paaren bei der Erfüllung ihres Kinderwunschs geholfen wurde. Grund dafür war die Unsicherheit über die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ob eine künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt ist, regelt nämlich die Ärztekammer eines jeden Bundeslandes selbst. Da die Berufsordnungen der Ärztekammern einiger Länder seit einem Urteil von 2017 kein explizites Verbot mehr enthalten, öffnen immer mehr Kliniken ihr Angebot auch für lesbische Paare. Die reproduktionsmedizinische Abteilung der Universitätsklinik in Magdeburg behandelt seit 2018 auch Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, sofern diese verheiratet sind oder in einer eheähnlichen Beziehung leben.

Während cis heterosexuelle Paare bei der Kinderwunschbehandlung jedoch von den Krankenkassen unterstützt werden, müssen lesbische Paare die Kosten vollständig selbst tragen. Die Ehefrau einer sehr guten Freundin hat sich einer monatelangen, kräftezehrenden Kinderwunschbehandlung in Berlin unterzogen. Als ihnen nach acht Monaten des Bangens und Hoffens mitgeteilt wurde, dass auch der vierte Fertilisationsversuch erfolglos verlief, rückte nicht nur das ersehnte Elternglück in die Ferne. Auch die 20.000 Euro, die die beiden investierten, lösten sich in Luft auf. Am Ende ihrer Kräfte angelangt, beendeten sie die Behandlung vorerst. Wir konnten von unverschämtem Glück sprechen, dass wir mittels Heiminsemination und mit der Hilfe unseres Freundes bereits nach dem dritten Versuch einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielten. Von hier an erlebten wir, was die meisten Paare erleben: Ultraschallbilder, Schwangerschaftsgelüste, Morgenübelkeit, Geburtsvorbereitungskurse, Wehen und dann endlich das langersehnte Brüllen unseres neugeborenen Sohnes.

Happy End? Nicht ganz. Während der Ehemann einer gebärenden Frau automatisch zum zweiten rechtlichen Elternteil des Sprösslings wird, musste meine Frau erst unter Beweis stellen, dass sie zur rechtlich legitimierten Mutter taugt. Denn jede lesbische Frau, die das Kind nicht selbst zur Welt gebracht hat, aber vor dem Gesetz ebenso als Mutter anerkannt werden möchte, muss die sogenannte Stiefkindadoption für ihr Kind beantragen. Nachdem sie also ihre Partnerin durch die Zeugung, die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett begleitet hat und sich vermutlich genauso über den Nachwuchs freut, muss sie sich einer bürokratischen Prüfung unterziehen, die der einer Adoption in kaum etwas nachsteht. Meiner Frau wurde im ersten Beratungsgespräch ans Herz gelegt, sie solle sich das Leben mit Kind erst ein halbes Jahr ansehen, bevor sie die Adoption beantragt. Es könnte ja sein, dass das nichts für sie ist. Etwas verwundert über diesen Ratschlag, reichten wir die erforderlichen Unterlagen wie Meldebescheinigungen, Geburtsurkunden, Eheurkunden, Führungszeugnisse, Einkommensnachweise, Gesundheitszeugnisse, Fragebögen und Lebensläufe ein. Nach zwölf Monaten, diversen Notarterminen und einem befremdlichen, wenn auch netten Hausbesuch durch das Jugendamt, unterschrieb eine Richterin das Urteil, das meine Frau auch auf dem Papier zu der Mama machte, die sie all die Monate zuvor bereits war. Während unseres Besuchs in ihrem Büro sprach sie uns aus dem Herzen, als sie die Antiquiertheit des vorangegangenen Prozederes kritisierte.

Weil es auch in der Politik Menschen gibt, die dieser Auffassung sind, wurde im Jahr 2015 der Arbeitskreis Abstammungsrecht vom Bundesjustizministerium ins Leben gerufen. Der Abschlussbericht, der 2017 erschien, sollte nun Antworten auf die Fragen geben, wie eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung erfolgen kann, sodass Beteiligte keine Diskriminierung erfahren, die Vielfältigkeit verschiedener Familienkonstellationen berücksichtigt wird und vor allem das Kindeswohl zu jeder Zeit gewährleistet ist. Und tatsächlich empfiehlt der Arbeitskreis einen Schritt, der lesbischen Paaren bei der Familienplanung zu mehr Gleichberechtigung verhilft. Demnach sollte auch bei ihnen die Ehepartnerin der gebärenden Frau automatisch zum rechtlichen zweiten Elternteil werden, so wie schon lange bei heterosexuellen Paaren. Eine Stiefkindadoption wäre somit nicht mehr vonnöten. Dies soll allerdings nur für Paare gelten, deren Empfängnis auf klinischem Wege erfolgt und die Kosten dafür hatte ich ja bereits angesprochen. Was man von den Ergebnissen dieses Arbeitskreises hält, ob man seine Empfehlungen gut oder schlecht findet, spielt jedoch bis auf weiteres kaum eine Rolle. Zuletzt wurde der Antrag zur Reform des Abstammungsrechts im September 2021 vom Bundesrat abgelehnt. Bis auf fünf Ausnahmen hatten die Vertreter:innen aller Bundesländer dagegen gestimmt oder sich enthalten. Familien wie die unsere werden also auch in Zukunft Steine dort in den Weg gelegt, wo Familien, die dem traditionellen Modell entsprechen, sich frei bewegen können. Was uns alle eint, ist das Lachen unserer Kinder, das uns für alle Mühseligkeit entschädigt.

Ein Text von Luise Zenker

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